Die Schia-Bibliothek
Die Schia-Bibliothek des Instituts für Sprachen und Kulturen der islamisch geprägten Welt beherbergt eine wichtige Sammlung ihrer Art in Europa und ist über mehrere Jahrzehnte zusammengetragen worden. Die ersten Bücher wurden bereits 1949 angekauft, doch fiel die Entscheidung, im Seminar eine Spezialsammlung zum schiitischen Islam anzulegen, erst später unter dem damaligen Leiter des Seminars, Prof. Dr. E. Gräf (st. 1976). Der größte Teil des heutigen Bestands kam zwischen 1965 und 1975 nach Köln durch den Einsatz von Prof. Dr. A. Falaturi (st. 1996), der in den späten 1960er Jahren immer wieder nach Teheran reiste und dort zumeist in Privatsammlungen lithographische Drucke ankaufte, die teils noch aus dem 18. und 19. Jahrhundert stammen. Sie machen heute eine der Besonderheiten der Kölner Schia-Bibliothek aus.
Mehr über die Bibliothek:
Thematisch umfasst die Bibliothek ein weites Spektrum schiitischer Gelehrsamkeit und Frömmigkeit: Koran-Kommentare, Jurisprudenz, Philosophie und Glaubenslehre, darüber hinaus aber auch Predigtsammlungen sowie Texte zur Mystik oder erbaulichen Ethik. Besonders hervorzuheben sind die Usul-Werke und Fatwa-Kollektionen bedeutsamer schiitischer Geistlicher des 19. und 20. Jahrhunderts.
Die Sammlung, die inzwischen auf mehr als 10.000 Bände angewachsen ist, geht aber über die Corpora juris sowie die Zeugnisse schiitischer Religiosität und Frömmigkeit, also der Schia im engeren Sinne, weit hinaus. Sie enthält auch wichtige Nachschlagewerke und Sekundärliteratur, anhand derer sich die Tendenzen der Forschung seit den 50er Jahren nachzeichnen lassen. Seit 2013 konnte der Bestand um mehrere hundert arabische Werke zur irakischen Schia erweitert werden, die direkt aus Nadschaf angekauft wurden.
Einer breiteren Forschungsgemeinschaft wurde die Sammlung erstmals bekannt gemacht durch die Veröffentlichung des ersten Katalogbandes (Katalog der Bibliothek des schiitischen Schrifttums im SKIW Institut der Universität zu Köln, hg. Von Abdoldjavad Falaturi, München 1988), der von Dr. Kamran Amir Arjomand bearbeitet worden war. Ein Gesamtkatalog der bis 1996 katalogisierten Bestände erschien in sechs Bänden im Saur-Verlag: Kamran Amir Arjomand: Katalog der Bibliothek des schiitischen Schrifttums im Institut für Sprachen und Kulturen der islamisch geprägten Welt der Universität zu Köln. Hrsg. von Abdoldjavad Falaturi. 2. erheblich erw. Aufl. Bd 1-6. München [u.a.]: Saur 1996. ISBN 3-598-23350-7 .
Seit Anfang 2016 läuft ein Retrokatalogisierungsprojekt, das den Bestand sukzessive über den digitalen OPAC der Kölner Universitäts- und Stadtbibliothek bekannt machen wird.
FAQ zur Arbeit mit Handschriften der islamisch geprägten Welt
Die Arbeit mit Handschriften der islamisch geprägten Welt – warum?
Die späte Etablierung des Buchdrucks im 19. Jahrhundert in der islamisch geprägten Welt bedeutet, dass bis dahin Wissen durch Abschriften von Büchern und Mitschriften von mündlicher Überlieferung tradiert wurde. Die Bedeutung von Handschriften in Form von Kodizes, aber auch von Urkunden, Alltags- und anderen Dokumenten ist daher hoch.
Auf welchen Stoffen wurden die koranischen Offenbarungen beschrieben?
Als die Sammlung der koranischen Offenbarungen durch Zaid ibn Thābit al-Ansārī, Weggefährte des Propheten Mohammed und angesehener Schreibkundiger, zusammengetragen wurde, fand er Aufzeichnungen auf verschiedensten Materialen, auf Pergament oder Papyrus, auch auf Palmstengeln, Knochen und Holz. Pergament und Papyrus wurden ab dem 9. Jh. CE durch das Papier abgelöst.
Wie kam es zum Einband und zur Gestalt der Handschriften in der islamisch geprägten Welt?
In den beiden ersten Jahrhunderten nach dem Tod des Propheten Mohammed war die Rollenform sowohl für Papyrus als auch für Pergament üblich. Nach der Einführung des Papiers wurde der Codex (muṣḥaf) die führende Form, Miniatur- und Rollenkorane aus Papier fanden Verwendung als Talismane und Reisekorane.
Marginalia – was ist das?
Marginalia sind die Ränder rund um den Haupttext. Hier stehen neben längeren und kürzeren Kommentaren, Bemerkungen und Verbesserungen zum Haupttext manchmal eigene Werke. Berühmtes Beispiel hierfür sind Koranexegesewerke mit dem Korantext in der Mitte jeder Doppelseite und dem Exegesewerk rund herum. Auch zwischen den Zeilen kann sich zusätzlicher Text befinden: Notizen und Verbesserungen des Kopisten.
Ein weiterer Textteil, der sich in den Marginalia befindet, ist die iǧāza. Diese bezeugt, dass der vorliegende Text „gelesen“ (qirāʾa), „gehört“ (samāʿ) und „geschrieben“ (kitāba) wurde, jeweils mit Angabe des Namens und der Aufgabe aller anwesenden Personen. Kann man die Personen identifizieren, hat man eine Quelle für die Datierung des Manuskriptes.
Was ist ein Kolophon?
Das Kolophon ist ein nach dem eigentlichen Buchtext vom Kopisten geschriebener Abschnitt, in dem dieser seinen Namen sowie das Datum und evtl. den Ort der Entstehung dieser Kopie nennt. Im Kolophon findet sich oft auch der einzige Hinweis zu Autor und Werktitel, denn viele Handschriften besitzen kein Titelblatt im heutigen Sinne. Das Kolophon hat in der Regel zum Ende hin die Form eines sich nach unten verjüngenden Dreiecks, an dessen unterer Spitze das Wort tamma („es endet“) oder dessen Abkürzung m steht.
Gibt es allgemeine Einführungen zum Umgang mit Handschriften der islamisch geprägten Welt?
Allgemeine Einführungen mit Besprechungen vieler Aspekte sind:
▪ Gerhard Endreß: “Handschriftenkunde,” in Grundriss der arabischen Philologie. Bd. 1: Sprachwissenschaft, hrsg. v. Wolfdietrich Fischer, Wiesbaden: Ludwig Reichert, 1982.
▪ Adam Gacek: The Arabic Manuscript Tradition. A Glossary of Technical Terms and Bibliography und Supplement (Handbuch der Orientalistik. Sektion 1. Der Nahe und Mittlere Osten, Bde. 58 und 95), Leiden: Brill, 2001 und 2012
▪ François Déroche: Islamic codicology. An introduction to the study of manuscripts in Arabic script, London: Al-Furqān Islamic Heritage Foundation, 2015 (Originaltitel: Manuel de codicologie des manuscrits en écriture arabe).
Wie finde ich mich im Handschriftenkatalog der MFO-Sammlung zurecht?
Der Katalog verfügt über verschiedene Register, die einen schnellen Überblick ermöglichen:
- Titel in Umschrift (S. 397-403)
- Titel in arabischer Schrift (S. 390 – 396)
- Verfasser in Umschrift (S. 404 – 416)
- Personennamen, Dynastien, Stämme in Umschrift (419-422)
- Geographische Angaben in Umschrift (S. 423 – 424)
Ansonsten ist der Katalog thematisch aufgebaut (siehe Inhaltsverzeichnis S. V – VIII).
Welche Bedeutung hat die Nummer einer Handschrift?
Die Nummer nimmt keine Rücksicht auf thematische Zugehörigkeiten der Handschriften. Diese findet man jedoch im Inhaltsverzeichnis.
Was finde ich im Katalogeintrag?
Der Katalogeintrag gibt Angaben zur Größe des Textblocks (bei einer Monographie) oder der Blätter, folia (Abk.: ff., Sg. folium, Abk.: f.) (bei Dokumenten u. a.) und zum Beschreibstoff (Papyrus, Pergament, Papier), zur Anzahl der Blätter und der Zeilen pro Seite sowie zu Autor und Titel des Werkes. Wenn erschließbar, werden auch das Datum der Abschrift und der Name des Kopisten angegeben.
Außerdem zitiert ein Katalogeintrag Beginn und Ende der Handschrift, wobei die Länge dieser Zitate von wenigen Worten bis einigen Sätzen stark variieren kann. Der Beginn einer Handschrift nennt sich lat. incipit (Abk.: inc.), das Ende explicit (Abk.: exp.).
Beispielübung: Papyrusfragment - von was?
Weiterführende Online Lerneinheit zu arabischer Handschriftenkunde und Paläographie (Uni Leiden)