24. Mai 2025, 10:00 – 16:30
Universität zu Köln, Institut für Sprachen und Kulturen der islamisch geprägten Welt, Samstag, 24. Mai 2025, 10:00–16:30
Die türkische Literatur, die auf eine tief verwurzelte poetische Tradition zurückblickt, trat in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts in eine Phase des Wandels ein, in der sich eine neue literarische Ausrichtung andeutete. Zugleich wurde offenbar, dass es an einer Prosatradition fehlte, die diesen Wandel hätte tragen oder überhaupt erst ermöglichen können. Diese Einsicht – hervorgegangen aus dem Spannungsverhältnis zwischen Überliefertem und zu Entwerfendem – führte innerhalb des literarischen Denkens zu einer nachhaltigen Selbstbefragung. Die vom Dichter Yahya Kemal als „Prosalosigkeit“ bezeichnete Leerstelle verlangte eine erneute Bestimmung dessen, was die Grenzen der Tradition ausmacht und wie literarische Zukunft überhaupt gedacht werden kann. Seither erscheint Prosa nicht mehr ausschließlich als Übernahme westlicher Gattungen, sondern als eine Weise des Schreibens, die – in projektiver Distanz zur überlieferten Form – eine neue Welt des Sinns zu entwerfen sucht. Die Autoren der Tanzimat-Zeit verfassen Romane, Erzählungen, Kritiken und Essays in dem Bemühen, sich mit ihrer kulturellen Herkunft auseinanderzusetzen und die noch unerschlossenen Ausdrucksmöglichkeiten der Literatur zu erkunden.
Dieses Symposium zielt darauf ab, die Prosa in der modernen türkischen Literatur nicht lediglich als eine formale Transformation zu diskutieren, sondern als eine kritische Phase der Sinnsuche, als ein unsicheres Zeugnis sich wandelnder kultureller Erfahrungen sowie als eine theoretische Möglichkeit, das Wesen von Literatur selbst neu zu befragen. Die Beiträge widmen sich dem seit der Tanzimat-Zeit deutlich gewordenen Bedürfnis nach einer Prosakultur und untersuchen dieses Phänomen in seinen historischen, poetischen und erkenntnistheoretischen Dimensionen. Ausgehend von der konstitutiven Rolle der Prosa als diskursive Formation in der modernen türkischen Literatur bis hin zur sogenannten „Prosalosigkeit“, die sich in der Spätphase des Osmanischen Reichs abzeichnete, werden zentrale Problemstellungen auf kritischer Grundlage verhandelt. Thematisiert werden unter anderem die sprachlichen Spannungen, die durch populäre Literaturübersetzungen im Osmanischen Reich entstanden sind; moderne Lektürepraktiken, die sich vom klassischen Kommentar zum literaturkritischen Zugriff bewegen; die ideologischen Schichten der Prosadichtung an der Grenze literarischer Gattungen; das Begehren, das Unsichtbare in Mai ve Siyah sichtbar zu machen; die Beziehung zum Nicht-Menschlichen in den Prosatexten von Ahmet Haşim und Yahya Kemal sowie die erzähltheoretische Eigenart einer neuen historiographischen Schreibweise bei Reşad Ekrem Koçu. So wird Prosa nicht mehr lediglich als Gegenstand der Literatur verstanden, sondern als ein Boden, auf dem sich Literatur in ihrer Selbstbegründung vollzieht.
Vor dem Hintergrund dieses gedanklichen Rahmens findet am Samstag, den 24. Mai 2025, das Symposium mit dem Titel „Die Problematik der Prosa im Wandel der türkischen Literatur“ am Institut für Sprachen und Kulturen der islamisch geprägten Welt der Universität zu Köln statt. Ziel der Veranstaltung ist es, die von der Prosa eröffneten Diskursräume auf literarischer, kultureller und theoretischer Ebene gemeinsam zu reflektieren. Das Symposium beginnt mit einem einleitenden Vortrag von Béatrice Hendrich und wird sich über den Tag hinweg in drei thematischen Panels entfalten. Der Veranstaltungsort ist der Sitzungssaal des Archäologischen Instituts der Universität zu Köln (Raum 101). Die Veranstaltung richtet sich insbesondere an Forscherinnen und Forscher, die in den Bereichen Literaturtheorie, moderne türkische Literatur, Kulturgeschichte und vergleichende Literaturwissenschaft arbeiten – sie steht darüber hinaus allen Interessierten offen, die sich mit dieser Thematik auseinandersetzen möchten.
Veranstalter: Universität zu Köln, Institut für Sprachen und Kulturen der islamisch geprägten Welt Veranstaltungsort: Archäologisches Institut, Raum 101, Kerpener Straße 30, 50937 Köln Sprachen des Symposiums: Einige Vorträge werden auf Türkisch, andere auf Englisch gehalten; es wird keine Übersetzung angeboten. Teilnahme: Die Teilnahme ist kostenlos. Eine vorherige Anmeldung wird bevorzugt.
Anmeldung und Kontakt: sguendo1uni-koeln.de | aguendog
uni-koeln.de
PROGRAMM
Eröffnungsvortrag, 10.00-10:20
• Béatrice Hendrich
10:20-10:30 Pause
1. Panel, 10:30-12:00
Moderation: Béatrice Hendrich
• Johann Strauss: Myths about Turkish (Ottoman) Prose
• Özen Nergis Dolcerocca: From Commentary to Criticism: The Ottoman Encounter with Modern Reading Practices
• Mustafa Altuğ Yayla: Bir Anlatma Geleneğinin Parçası Olarak Reşad Ekrem Koçu’nun Nesri
12:00-13:00 Mittagspause
2. Panel, 13:00-14:30
Moderation: Johann Strauss
• Günil Özlem Ayaydın-Cebe: Araftaki Niyet: Osmanlı-Türk Edebiyatında Mensur Şiirin İdeolojisi
• Fatih Altuğ: Ahmet Haşim ve Yahya Kemal’de Nesir ve İnsan-Olmayanlar
• Atiye Gülfer Gündoğdu: Geç Osmanlı-Türk Edebiyatında “Feci” Bir Noksan: Dilsel Bir Felaket Olarak Nesirsizlik Sorununun Belirmesi
14:30-15:00 Pause
3. Panel, 15:00-16:30
Moderation: Günil Özlem Ayaydın Cebe
• Seval Şahin: Görünmeyeni Yazmak: Mai ve Siyah’ta Nesir Deneyimleri
• Hülya Çelik: Comparing the Prose Language of Ottoman Popular Literatures: Armeno-Turkish and Ottoman Turkish Translations of French Bestsellers in Late 19th-Century Istanbul
• Servet Gündoğdu: Düşünen Yazı Olarak Nesir: Tanzimat’ta Edebiyat Projeksiyonları
• Schlussbemerkungen